Werden die Interessen der Wanderer ausreichend vertreten?
Ein Plädoyer für einen übergeordneten Interessenverband
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In der Zeitschrift des Wanderverbandes Norddeutschland erschien im letzten Heft ein Artikel unter der Überschrift: "Zu alte Mitglieder? Was kann sich im Wanderverein ändern?", in dem darüber diskutiert wurde, daß einerseits immer mehr junge Leute wandern, daß diese aber keinen Zugang zu den Wandervereinen finden.

Dazu einige Gedanken:
Nur auf das zunehmende Alter der jungen Wanderer zu warten, damit sie dann einen Zugang zu den Wandervereinen finden, wird nicht die Lösung sein, da sich die gesamte Gesellschaft gewandelt hat und das Gemeinschaftserlebnis "Wandern in der Gruppe" für diese Generation auch im Alter nicht mehr ausreichend attraktiv sein wird. Dennoch werden Wandervereine in Zukunft nicht nur ihre Berechtigung haben, sondern ihre Bedeutung könnte sogar größer werden. Wenn sie sich wandeln vom bloßen Organisator von Wanderungen und Vermittlung von Gemeinschaftsgefühl hin zu einem Interessenverband für Wanderer, der mit modernen Methoden die Voraussetzung dafür schafft, daß die Wanderer ihr Hobby ausüben können, dann wird man auch in Zukunft neue Mitglieder bekommen. Denn eines ist klar, der reine Gemeinschafts- und Geselligkeitsgedanke allein wird nicht mehr ausreichen, um die Zukunft von Wandervereinen zu sichern.

Es ist z.B. bezeichnend, daß das Verbandsheft Norddeutscher Wanderer, dessen letztes Heft Juni 2001 sehr interessante Artikel z.B. zum Thema Naturschutz und Wandern enthält, jetzt nur noch einmal im Jahr erscheinen soll

Es gibt z.B. keine einzige Wanderzeitschrift, die über das Organisieren und Planen von Wanderungen hinaus, die Interessen der Wanderer vertritt. Die einzige Zeitschrift die ich kenne (und die ich übrigen auch abonniert habe) das "Wandermagazin" bleibt dabei, eine Wanderung an die andere zu reihen (so viel kann man in 10 Leben nicht einmal abwandern) und andere Themen höchstens zu streifen.

Weniger ist mehr, daneben müßten aber eben auch andere Themen, die Wanderer interessieren, aufgegriffen und v.a. auch in moderner Form aufbereitet werden. Manche Artikel im Wandermagazin und z.T. eben auch in manchen Wander-Blättern der Vereine sprechen in ihrer romantisierenden Art ("der deutsche Wald") -oftmals in direkte Rede gekleidet-- die junge Generation (und mich) kaum an. Mir kommt es manchmal so vor, als ob einige Autoren eher den Ehrgeiz haben, ein berühmter (Romantik-)Dichter zu werden, als eine Wanderung zu beschreiben - und so werden auch eifrig immer wieder Dichter der Romantik zitiert, ob nun Rückert oder Fontane.

Spontane Beispiele aus dem Wandermagazin "Die Sterne funkeln, eine Wolke schiebt sich vor den Mond, Wind rauscht durch die Bäume, der Duft nach Tannennadel, das Klappern der Hufe - die Nacht macht die Wahrnehmung intensiver"
oder auf der Titelseite: "Wandern heißt leben. Draußen, da gehen die Uhren langsamer - da ist pure Lebensfreude".
oder weiter zum Wandern: "Das nennt man sprudelnde Lebenfreude, das ist die Quelle aus der Entscheidungsfreude und Tatendrang strömen".
Ich habe noch niemanden getroffen, der so spricht.
Zum Glück sind nicht alle Artikel in diesem Stil geschrieben - aber in Zeitschriiften, die andere Sportarten wie Radfahren, Ski fahren oder Golfen betreffen, habe ich solchen überhöhenden Sprachstil noch nie gefunden.

Jemand der wie die meisten im Beruf immer sachlich mit Dingen umgehen muß, kann sich nicht auf einmal in einer Sprache wiederfinden, die vielleicht vor 100 Jahren einmal normal war.

Auch wenn der immer wieder betonte Heimatgedanke für die Fortentwicklung einer Kultur von großer Bedeutung ist, kann jemand, der vielleicht schon 3 mal aus beruflichen Gründen umgezogen ist und möglicherweise schon seine 3.Ehe hinter sich hat, kaum für diese Art des Wandergedankens motiviert werden.
Auch mit dem Beschwören der Vergangenheit, daß alles früher viel schöner und natürlicher war - wie in manchen Leitartikeln dargestellt ("bitte öffnen Sie Ihr Herz")- motiviert man niemanden für das Wandern, der voll und vielleicht auch zufrieden (ja, auch das gibt es) im modernen Leben steht.

Die altertümliche Sprache bei manchem Wanderartikel hat vielleicht ja auch den Zweck, die Wanderer als etwas moralisch Herausgehobenes zu kennzeichnen.

Ja, warum sind meine Frau und ich dann trotzdem Mitglied eines Wandervereins, auch wenn ich mich trotz meiner inzwischen 52 Jahre nicht zu den (früher?) typischen Wanderern gehören?

Weil wir glauben, daß die Wandervereine hervorragende Arbeit leisten z.B. bei den Markierungen und Pflege von Wanderwegen und bei der Ausarbeitung von neuen Wanderrouten und dies möchten wir mit unserem Beitrag fördern.

Dennoch müßten sich zumindest die Wanderverbände zusätzlich hinwenden zu einem Interessenverband für Wanderer.

Es gibt hierfür eigentlich ein Vorbild - der sehr erfolgreiche Interessenverband der Radfahrer - der ADFC. Hier werden auch Radtouren definiert und für Wegekennzeichnung gesorgt, aber es geht doch noch weit darüber hinaus. Der ADFC hat sich zu einem ernst genommenen Interessenvertreter gemausert, der inzwischen von allen Politikern, von der Bahn und auch vom Hotelverband sehr ernst genommen wird. Der ADFC hat es sogar geschafft, daß die Kennzeichnung von Radwegen zum großen Teil gar nicht von den Vereinen, sondern von Staat und Gemeinde durchgeführt wird. Und es gibt eine wirklich interessante Verbandszeitschrift (mit modernem Layout) , die nicht nur Touren aufzählt, sondern alle Bereiche des Radfahrens .behandelt. Auf unserer Wanderung auf dem E1 haben wir festgestellt, daß es einen wirklichen Bedarf an einer starken einheitlichen Interessenvertretung gibt - zu Fuß gehen ist doch sicher mindestens so wichtig und gesund wie radfahren

Einige Beispiele für notwendige Aktivitäten:

- Zerstörung von Wanderwegen durch Forstbetriebe und andere Aktivitäten (siehe Etappe 34 )
- Eine einheitliche, logische Kennzeichnung von Wanderwegen
- Mehr Bänke mit Tischen und Schutzhütten an viel gegangenen Fern-Wanderwegen, auch außerhalb der eigentlichen Wanderzentren wie Sauerland oder Schwarzwald
- Spezielle Angebote der Bahn für Wanderer, die z.B. nicht vom gleichen Bahnhof zurückfahren wie bei der Hinfahrt.
- Getrennte Wanderwege für Reiter bzw. für Biker. Verbot für diese Gruppen, die Wanderwege zu benutzen.
- Abholen durch die Hotels von Wanderendpunkten und Transport von Gepäck
- Pflege der Wanderwege auch durch die Gemeinden z.B. nach Stürmen etc.
- Keine weitere Abholzung von Wald für die Erschließung von Ski-Gebieten
- Tests von Wanderausrüstungen
- Pressearbeit über das Wandern.

Wie in dem Artikel des Wanderverbandes Norddeutschland dargestellt - die Zahl auch jüngerer Wanderer nimmt zu und die Wanderer sind auch ein Wirtschaftsfaktor - also müssen wir auch unsere Interessen besser vertreten.

Damit dies alles nicht mißverstanden wird: die Kritik bedeutet nicht, daß man die Pflege der Gemeinschaft und das gemeinsame Wandern jetzt ersetzen muß - nein dies ist für die Kultur und das Zusammenleben weiterhin äusserst wichtig. Nur es darf nicht die einzige Aktivität bleiben, wenn man neue Mitglieder gewinnen will und man darf sich nicht einer altertümlichen Sprache bedienen, die letzt endlich - weil man sie entweder als elitär oder albern empfindet- eher ausgrenzt und abschreckt als verbindet

. Wer zu diesem Artikel Stellung nehmen möchte oder auch Anregungen und Ideen hat, bitte E-Mail an: initiative@gut-zu-fuss.de Ich werde die Meinungen dann sporadisch auf meiner Homepage veröffentlichen. Auch falls Wandervereine oder andere diesen Text veröffentlichen möchten, können Sie dies gern tun, wenn dies ohne Kürzung, mit Quellenangabe und mit Veröffentlichung der Kontakt-Email-Adresse geschieht.